Im Sonnenuntergang mit einer Flasche Wein am Ufer des Bodensees sitzen: Das ist in Konstanz bald wieder überall erlaubt. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hob das umstrittene Glasverbot der Stadt am Freitag (27.07.2012) auf. Ein 24-jähriger Politikstudent hatte dagegen geklagt, die Verordnung sei ein "unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit des Einzelnen".
Der Gemeinderat der Universitätsstadt hatte das Verbot im vergangenen Jahr erlassen. Passanten durften seither in den Sommermonaten abends und nachts in bestimmten Uferzonen des Bodensees und des Rheins keine Glasflaschen oder Glasbehälter mehr mit sich führen. Der Grund: Jemand könnte sich an den Scherben verletzen.
Die Richter beanstandeten in der mündlichen Verhandlung am Donnerstag die mangelnden Zahlen zu tatsächlichen Schnittverletzungen. Für die Richtigkeit des Verbots fehlten stichhaltige Beweise, hieß es. Auch die zahlreichen telefonischen Bürgerbeschwerden, die die Stadt angeführt hatte, seien nicht ausreichend dokumentiert, sagte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Volker Ellenberger.Die Grüne Hochschulgruppe Konstanz hatte unter anderem gegen das Verbot protestiert. Lokale Safthersteller unterstützten die Studenten, weil sie ihre regionalen Produkte weiterhin in Glasflaschen anbieten wollten. "Das ist in Konstanz auch eine Frage der mittelständischen Wirtschaft", sagte der Anwalt des Klägers, Lars Ritterhoff. Das Verbot sei zu Lasten der Grundrechte aller Bürger gegangen. Polizeiverordnungen dürften außerdem generell nur zur Abwehr einer bestehenden Gefahr dienen - und nicht dazu, um eine mögliche Gefahr von vornherein auszuschließen. "Das ist eine höchst aktuelle politische Entscheidung", sagte Ritterhoff.
"Wir brauchen für solche Verbote vielleicht eine breitere gesetzliche Grundlage", sagte Stefan Gläser, Vorstandsmitglied des baden-württembergischen Städtetags. Er wolle deswegen umgehend mit den Verantwortlichen vor Ort Kontakt aufnehmen.
2009 hatte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bereits ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in der Freiburger Innenstadt gekippt, weil nicht von jedem Bürger, der Alkohol trinke, eine Gefahr ausgehe. Das Konstanzer Verbot ist aufgehoben, sobald das Urteil schriftlich zugestellt wurde. Das soll laut Gericht "demnächst" geschehen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung könnte anderen Städten als rechtliche Vorlage beim Verhängen von Verboten dienen.
Aktenzeichen: 1 S 2603/11
www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/urteil-zu-glasverbot-am-bodensee-studenten-gewinnt-gegen-konstanz-a-846774.html
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